Hi zusammen,
diesmal auf Deutsch, weil ich annehme, dass Voltcraft außerhalb von Deutschland nicht großartig bekannt ist...
Die heutige Reparatur dreht sich um einen Kabeltester CT-20TDR von Voltcraft, der z.B. über Conrad Electronic oder Völkner verkauft wird. Damit lassen sich Netzwerk- und Telefonkabel schnell auf Durchgängigkeit testen. Durch ein herausnehmbares Gegenstellenmodul kann man auch installierte Kabel testen. Die Preisklasse ist ca. 150 Euro.
Leider gibt es einen oft auftretenden Fehler, der vielleicht erklärt, warum so viele dieser Geräte bei den einschlägigen Marktplätzen als defekt angeboten werden. Der Fehler zeigt sich so:
Das Problem ist, dass auf einem mehr oder weniger breiten horizontalen Balken keine Pixel mehr erscheinen. Bei LCDs kennt man das, oft sind es die Kontaktstreifen aus Gummi mit eingelassenen leitenden und nicht-leitenden Oberflächen, die diesen Komponenten in Englisch den Namen "Zebra strips" verpasst haben. Diese Streifen können sich über die Jahre leicht ablösen. Wenn man sie neu positioniert oder dafür sorgt, dass sie etwas mehr Andruck an den Kontaktflächen haben, sind solche Probleme einfach zu beheben.
Leider ist es in diesem Fall komplizierter, denn es handelt sich beim CT-20TDR um ein LC-Display, das eigene Intelligenz an Bord hat, sprich ein Chip-On-Glass (COG) sorgt für die Ansteuerung der Pixel und wird über ein vorgegebenes Protokoll vom Gerät angesprochen. Statt Zebra Strips kommt hier ein Flachbandkabel (FFC, Flat Flex Cable) zum Einsatz. COGs sitzen, wie der Name schon verrät, direkt auf demselben Glas wie das Display, und die Kontaktierung erfolgt über transparente Leiterbahnen, die auf das Glas aufgebracht werden. Wenn hier eine Kontaktschwäche herrscht, ist das mit normalem Werkzeug nicht mehr zu reparieren.
Hier ist es sogar noch schlimmer, denn der Kontakt ist nicht nur schwach, sondern für einige Zeilen im Display komplett unterbrochen. Der Grund dafür ist allerdings gut versteckt. Bei den COG-Displays verbirgt sich der Chip oft unter einer schwarzen Silikonschicht, die als Schutz gedacht ist, beim hier verwendeten Display sind auf ganzer Breite des Displays sowohl der Chip als auch alle von ihm weg- und zu ihm hinführenden Leiterbahnen unter Silikon begraben. Auch das Flachbandkabel bekommt an der Stelle, wo es auf dem Glas aufgeklebt ist, von der Silikonschicht noch etwas Schutz, damit es nicht so leicht abreißt.
Die Ursache des toten Streifens auf dem Display konnte ich erst sehen, nachdem das Silikon entfernt war:
Mittig unten unter der grauen Anzeigefläche ist der Chip zu erkennen, von dem nach unten das Flachbandkabel wegführt. An der linken unteren Ecke des Displays hat das Glas mehrere Bruchstellen.
Hier noch mal aus der Nähe:
Und noch näher. Im Gegenlicht lassen sich bei genauem Hinsehen die Leiterbahnen erkennen, die hier durch den Glasbruch mit unterbrochen wurden:
An dieser Stelle ist klar, dass dieses Display nicht zu retten ist. Durch irgendeinen Umstand wurde das Display an dieser Ecke zu stark gebogen. Ich vermute, dass das Gerät heruntergefallen ist. Das sollte man wohl besser nicht passieren lassen, auch wenn das Gehäuse einen sehr soliden Eindruck macht.
Wie leider üblich ist am Display selbst keinerlei Hersteller oder Modellnummer ersichtlich. Da es zum Austausch aber auf jeden Fall das Gerät verlassen muss, kommen wir nun zum Ausbau. Dazu ist leider Entlöt-Equipment notwendig, weil das Display eine Hintergrundbeleuchtung mitbringt, die aber nicht über das Flachbandkabel versorgt wird, sondern über zwei eingelötete Pins an den Ecken unten links und rechts. Diese müssen ausgelötet werden, bevor es weitergehen kann. Man kann mit gebotener Vorsicht auch die Pins einzeln so weit erhitzen, dass sich das Display in die Gegenrichtung wegziehen lässt.
Erst danach kann man das Display an den zwei Kunststoffclips, die oben rechts und links um die Platine herumgreifen, ablösen und sieht dann das darunter gesteckte Flachbandkabel. Aus dem Verbinder löst man es, indem man den dunklen Sicherungsbalken nach oben klappt:
Dazu auf der Seite, wo das Kabel hineinführt, mittig von unten vorsichtig unter den Balken gehen, z.B. mit einem Fingernagel oder einem Kunststoffwerkzeug, und diesen nach oben klappen. Dann lässt sich das Flachbandkabel ohne Kraftaufwand herausziehen.
(sorry, leider habe ich es versäumt, für diese Prodzedur mehr Fotos mit anderen Perspektiven zu machen)
Die Lötaugen müssen dann von verbleibendem Lötzinn befreit werden, damit das neue Display dort wieder Halt findet (im Bild sind beide markiert):
Jetzt gilt es, am defekten Display einen Hinweis auf Hersteller und Modell zu finden. Das ist in diesem Fall leider praktisch unmöglich. Am Display selbst findet sich leider gar nichts, die Rückseite ist komplett weiß, was man hier sieht, ist der Kunststoffrahmen, in dem die Hintergrundbeleuchtung und das LC-Display miteinander verbunden / verklebt sind.
Einen Hinweis, der aber nicht wirklich hilft, gibt das Flachbandkabel mit folgendem Aufdruck auf der Vorderseite:
In jeder möglichen Konstellation führt eine Google-Suche nicht zum Erfolg, es scheint keinen Hersteller (mehr) zu geben, der so einen Artikel führt.
Zumindest verrät uns die Produktbezeichnung, dass wir ein 128x64-Pixel-Display haben. Dass die Auflösung der X- und Y-Achse in der Artikelnummer auftaucht, ist sozusagen eine universelle Norm. Aber viel mehr lernen wir hieraus nicht.
Was letztendlich die Veranstaltung rettet, ist der Verbinder. Dieser hat eine spezielle Beschaltung, über die ich einen passenden Ersatzartikel finden konnte:
Zunächst fällt auf, dass einige Pins gar nicht verbunden sind und das Kabel dadurch auch schmaler wird. Aus 34 Pins am Verbinder werden nur 20 durchgeleitete Verbindungen. Angenommen, Pin 1 sei hier ganz links, dann wissen wir zumindest schon einmal:
- Pin 1-15: verbunden
- Pins 16-20: NC
- Pins 21-22: verbunden
- Pins 23-24: NC
- Pin 25: verbunden
- Pins 26-30: NC
- Pins 31-32: verbunden
- Pins 33-34: NC
Die Nicht-verbundenen (NC) Pins sind jeweils Gruppen von 5 zusammenliegend, dann 2, dann noch einmal 5 und noch einmal 2.
Da ich mit der Artikelbezeichnung nicht weiterkam, habe ich dann COG-LCDs im Netz gesucht, die eine ähnliche Beschaltung haben und Eigenschaften haben, also:
- LCD mit COG
- 128x64 Auflösung
- monochrom
- hintergrundbeleuchtet
- 34-Pin FFC-Verbinder mit 0,5mm Pin Pitch
- Anzeigefläche gemessen ca. 71 x 39mm
- Gesamtgröße ca. 80 x 55mm
Bei den meisten Modellen, die man so findet, sind alle 34 Pins in Benutzung, vermutlich für die unterschiedlichen Protokolle, die man beim Sprechen mit dem COG verwenden kann. Es blieb eigentlich nur folgendes Display übrig:
Crystalfontz CFAG12864Q1-TFH
Shopadresse: https://www.crystalfontz.com/product/cfag12864q1tfh-128x64-low-power-backlit-lcd-display
Gemäß Datenblatt, das man sich dort herunterladen kann, sind die Gruppen von genutzten und nicht-genutzten Pins identisch:
Datasheet CFAG12864Q1 Series, Release Date 2022-07-18, (C) Crystalfontz America, Inc. |
Nun hätte man noch sichergehen können und per Oszilloskop die Beschaltung nachprüfen können, aber es wäre extrem mühsam gewesen und hätte ggf. nur dazu geführt, dass auch das Crystalfontz-Display kein passendes Ersatzteil ist.
Zunächst sah es aus, als müsse man das Display in Amerika bestellen zum Stückpreis von 17,94 US-$ plus Versandkosten von rund 50 US-$. Das macht die ganze Sache wirtschaftlich unsinnig, denn das defekte Gerät habe ich für ca. 60€ gekauft, und natürlich sollte die Reparatur nicht noch einmal so viel oder noch mehr kosten - mit dem Unsicherheitsfaktor, dass nur der Verbinder passt, aber das Protokoll nicht.
Dann fand ich heraus, dass es in Deutschland einen Distributor für das Display gibt, nämlich die Fa. LC-Design. Diese vertreibt Crystalfontz-Displays und hat einen gewissen Vorrat auf Lager. Was nicht da ist, kann in USA bestellt werden und ist dann innerhalb von ein paar Wochen lieferbereit.
Hier der Link zum Distributor:
https://lc-design.de/crystalfontz-intelligent-display-module/
Über Kontakt via E-Mail habe ich das besagte Display angefragt und bekam es auf Vorauszahlung innerhalb von ca. 3 Wochen per DPD zugestellt. Gekostet hat das Display 23,78€ netto, dazu kamen noch 6,70€ Versand ebenfalls netto. Zu zahlen waren also 36,27€. Das ist zwar angesichts des Wertes, der hier erhalten werden soll, auch schon grenzwertig, aber ich habe es mal riskiert.
Crystalfontz ist deutlich auskunftsfreudiger mit Angaben zu dem Display, wie man am Aufdruck auf der Rückseite erkennt:
Abgesehen von dem Flachbandkabel, das auch die nicht genutzten Leitungen in voller Breite überträgt, ist es äußerlich von dem ursprünglich verbauten nicht zu unterscheiden. Nach unten führen auch die zwei Hintergrundbeleuchtungs-Pins an exakt der richtigen Stelle heraus.
Hier ein Blick auf das bereits angeschlossene Crystalfontz-Display. Man erkennt hier auch die erwähnte schwarz-glänzende Silikonschutzschicht am unteren Rand des Displays.
Gelb markiert ist die Stelle, an der das Flachbandkabel geknickt werden muss, damit es komplett unter dem Display liegt, wenn alles wieder montiert ist. Andernfalls kann es nach unten hervorschauen und in den Bereich der Tasten gelangen. Das ist weder für die Funktion der Taste gut noch für das Kabel selbst, das keine überflüssige Bewegung oder Verwindung erfahren sollte. Die Flachbandkabel machen einmaliges (!) Knicken gut mit und halten die so gegebene Form auch.
Zum Anschließen schiebt man das Flachbandkabel mit den Kontakten zur Platine schauend in den Verbinder ein. Dies geht nur, wenn der Sicherungsbalken geöffnet ist, also 90° vom Verbinder absteht. Das Kabel schiebt man genau gerade in die Führung ein. Schaut ggf., ob das Kabel versehentlich unter statt in den Verbinder geschoben wurde. Nach ca. 1-2mm des Weges sollte das Kabel am Anschlag sein und sich nicht weiter einschieben lassen. Der etwas dickere Plastikstreifen am Ende des Kabels hilft dabei, und das Kabel sollte möglichst auch an keiner anderen Stelle angefasst werden. Dieser Streifen schaut am Ende noch gute 5mm heraus. Wenn das Kabel gerade sitzt, den schwarzen Sicherungsbalken wieder nach unten klappen und durch leichtes Ziehen am Kabel prüfen, ob die Verbindung wirklich fest ist.
Hierbei bitte äußerste ACHTUNG! Die Flachbandkabel mögen ausschließlich Zugbewegungen entlang ihrer Längs-Achse. Wenn man so ein Kabel zur Seite verwindet, kann es schnell reißen und ist dann kaum zu reparieren. Man kann es auch relativ leicht durchreißen wie ein Stück Papier. Denkt beim Zug-Test auch daran, nicht am Display zu ziehen, sondern dazu das Kabel irgendwo mittig anzufassen, sonst reißt die Verbindung vielleicht am Display selbst, und dank der Silikonschicht hält dann trotzdem noch, was eine schwer zu findende Fehlerquelle darstellt. Es geht bei diesem Test auch nur darum, festzustellen, dass das Kabel nicht vollkommen locker war und einem einfach wieder entgegen kommt. Also nur ganz leicht ziehen, auf keinen Fall mit Kraft!
Nun setzt man das Display an die passende Stelle, so dass die zwei Kunststoffklammern in die Aussparungen in der Platine greifen. Leider sind diese Klammern etwas kürzer geraten als beim Original, so dass sie (zumindest bei meinem Versuch) nicht wirklich halten. Ich habe mir dann damit beholfen, das Display an der oberen Seite links und rechts mit einem Klebestreifen an der Platine zu befestigen, damit es sich nicht im Gehäuse frei bewegt. Im unteren Bereich wird das Display durch die zwei Lötkontakte der Beleuchtung gehalten.
Lohn der Mühe:
Erfolg! Das Crystalfontz-Display zeigt alles so an, wie es soll. Es ist nichts spiegelverkehrt, es gibt keine Bildstörungen, und auch die Hintergrundbeleuchtung funktioniert 1:1, die Polarität stimmt also auch.
Möglicherweise hat Crystalfontz also das ursprünglich verbaute Display auch als OEM geliefert. Jedenfalls ist der Kabeltester damit jetzt endlich wieder voll einsetzbar.
Wer es mag, kann bei Crystalfontz übrigens ein gleich beschaltetes Display in weiß-auf-blau bestellen statt der Darstellung schwarz-auf-grau. Die Artikelnummer dazu lautet CFAG12864Q1-TMI, also TMI als Appendix statt TFH. Es müsste ansonsten genausogut funktionieren, da es lediglich als Produktvariante geführt wird. Ich habe das aber nicht ausprobiert! Klar ist jedenfalls, dass man die weiß-auf-blau darstellenden Displays nicht lesen kann, wenn nicht die Hintergrundbeleuchtung die ganze Zeit aktiv ist. Beim schwarz-auf-grau-Display kann man bei einigermaßen gutem Umgebungslicht auf diese verzichten.
So, ich hoffe, dass ich hiermit ein paar dieser Geräte vor dem Müllberg retten konnte, denn wahrscheinlich sind 9 von 10 Ausfällen auf das Display zurückzuführen.
Wenn Ihr zu der Reparatur noch Fragen habt oder einen eigenen Erfolg vermelden könnt, freue ich mich über entsprechende Kommentare.
Bis zum nächsten Mal!
Joe
Sehr hilfreiche Anleitung;)
ReplyDeleteStimme absolut zu;)
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